Qualität vor Tempo bei der KV-Reform

von Luca Urgese, Grossrat

Der kaufmännischen Ausbildung, der grössten Berufslehre der Schweiz, steht unter dem Titel «Kaufleute 2022» eine umfassende Reform bevor. Bereits per Schuljahr 2022/2023 will das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) eine Totalrevision der KV- und Detailhandelsberufe durchsetzen.


 

Es handelt sich dabei durchaus um eine Revision, die notwendig ist. Sie hat aber auch ziemlich einschneidende Änderungen zur Folge. Die kaufmännische Grundbildung soll so gestaltet werden, dass diese den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts gerecht wird, spannend und herausfordernd für die Lernenden bleibt und künftige Fachkräfte auf die zunehmend digitalisierte Arbeitswelt vorbereitet werden.

Das sind berechtigte Ziele und es ist auch nachvollziehbar, dass die Reform möglichst rasch umgesetzt werden soll. Setzt man sich mit dieser Reform etwas vertiefter auseinander, stellt man fest, dass es Kantone gibt, die ziemlich aufs Gaspedal drücken. Für die Nordwestschweizer Kantone muss jedoch gelten: Qualität vor Tempo.

Diese Reform ist bildungspolitisch hoch relevant, weil sie eine grosse Gruppe von Lernenden und damit auch eine grosse Gruppe von Lehrbetrieben betrifft. Es ist daher unabdingbar, dass eine solche Reform mit der nötigen Sorgfalt und Qualität umgesetzt wird.

Und da gibt es zu viele verschiedene Signale die zeigen, dass eine Einführung per Schuljahr 2022/2023 zu früh wäre:

  • So stehen gewisse ziemlich wichtige Entscheide noch aus und sollen erst im Juni 2021 gefällt werden. Beispielsweise sollen die Lehrplanmodelle, wie die heutigen Fächer zum Kompetenzaufbau einbezogen werden, erst dann vorliegen.
  • Das Fremdsprachenkonzept ist derart politisch heikel, dass der Entscheid darüber dem Gesamtbundesrat vorgelegt wird, der darüber erst noch beraten und entscheiden muss.
  • Oder man denke an die Budgetprozesse der Kantone, die im Juni doch schon ziemlich weit fortgeschritten sind, sodass es eine ziemliche Herausforderung darstellen dürfte, die zusätzlichen Ausgaben im Zusammenhang mit der Reform nicht nur abzuschätzen, sondern auch entsprechend einzukalkulieren und zu budgetieren. Zu denken ist beispielsweise an die Schulung der Lehrpersonen an den Berufsschulen, damit diese rechtzeitig bereit sind.
  • Hinzu kommt, dass die Interessenten für eine KV-Lehre bei einer Umsetzung auf 2022 gar nicht wissen, für welche Lehre sie sich eigentlich anmelden, wenn noch zu viele offene Fragen bestehen.

Aus all diesen Gründen ist die FDP klar der Meinung, dass eine kurzfristige Einführung nicht nur die Lernenden, sondern auch die Berufsfachschulen und die Berufsbildenden in den Betrieben vor erhebliche Herausforderungen stellt und es deshalb nicht nur ein Bedürfnis, sondern eine Notwendigkeit ist, dass diese Bildungsreform erst im Jahr 2023 eingeführt wird. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Reform an den WMS-Schulen bereits auf 2023/24 vorgesehen ist.

Wir sind froh, dass der Regierungsrat gemeinsam mit den anderen drei Regierungen des Bildungsraums Nordwestschweiz dies ebenfalls so beurteilt und beim SBFI auch bereits vorstellig geworden sind.

Der FDP liegt die Berufsbildung am Herzen. Wir halten unser duales Bildungssystem hoch und wir wollen, dass auch künftig unsere Lernenden eine qualitativ hochstehende Ausbildung geniessen können, die sie befähigt, auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen.

Aus diesem Grund haben wir zusammen mit der FDP Baselland eine bikantonale parteiübergreifende Resolution lanciert, damit auch unsere Parlamente den klaren Willen gegenüber dem Bundesrat und dem SBFI äussern können, dass die Nordwestschweiz keine überstürzte Reform und kein Spiel mit der Berufsbildung will.

Wir sind überzeugt, dass der Grosse Rat und der Landrat ein starkes Zeichen nach Bern geschickt haben, indem sie am gleichen Tag im gleichen Gebäude eine gleichlautende und politisch breit abgestützte Resolution verabschiedet haben. Sie haben damit gezeigt, dass die beiden Parlamente hinter den Regierungen stehen, die eine Verschiebung der Inkraftsetzung fordern.

Zum Wohle unserer Lernenden und zum Wohle der Berufsbildung.