Im Zweifel für das Volk (und die nicht-menschlichen Primaten) – vom richtigen Umgang mit den Volksrechten

Am 15. Oktober 2020 debattierte der Grosse Rat über das weitere Vorgehen bezüglich der vom baselstädtischen Verfassungsgericht und vom Bundesgericht für zulässig erklärten Primateninitiative. Als Statthalter des Grossen Rates war es mir verwehrt, in dieser Angelegenheit selbst das Wort zu ergreifen. Mit angebrachter Zurückhaltung möchte ich aber trotzdem einige Gedankengänge skizzieren.

Würde zukünftig einigen Debattenbeiträgen von linker und rechter Ratsseite gefolgt, so würde sich die Überprüfung von Volksinitiativen zukünftig darauf beschränken, ausschliesslich nach Rechtsverstössen zu fahnden, die für jeden Ius-Studierenden ab dem ersten Semester offensichtlich sind und für deren Rechtfertigung auch die kreativsten Rechtsgelehrten keinerlei Argumente finden. Die Arbeit von Verwaltung, Regierung und Parlament im Stadium der Prüfung von Volksinitiativen würde dadurch sehr vereinfacht. Die berühmte Maxime "in dubio pro populo" wäre damit maximal erfüllt.

Ob dies der Weisheit letzter Schluss ist, kann aber bezweifelt werden. Folge der Ungültigerklärung der Primaten-Initiative durch den Grossen Rat auf Antrag des Regierungsrates (mit sehr grosser Mehrheit) war, dass schlussendlich höchstrichterlich geklärt wurde, welche Bedeutung diese Initiative rechtlich überhaupt haben kann. So stellt das Bundesgericht fest, dass primär die bundesrechtliche Tierschutzgesetzgebung massgebend ist. Zudem wird vom Bundesgericht in seiner Medienmitteilung ausdrücklich gesagt, dass der von den Initianten vermittelte Eindruck, mit Annahme der Initiative würde der Schutz der derzeit im Kanton lebenden Primaten unmittelbar verbessert, nicht haltbar ist. Dank dieser höchstrichterlichen Klärung und den nun in Auftrag gegebenen zusätzlichen Erläuterungen und Einschätzungen des Regierungsrates wird für das Stimmvolk klar(er) werden, über was konkret abgestimmt werden wird.

Verzicht auf eingehende Prüfung von Initiativen befördert auch die Tendenz, solche Begehren so weit wie möglich zu fassen und auch Elemente aufzunehmen, die vielleicht nicht absolut offensichtlich rechtswidrig sind, sich aber in späteren gerichtlichen Auseinandersetzungen als nur (teilweise) durchsetzbar erweisen.

Unsere Volksrechte sind ein hohes Gut. Behörden und Initianten haben damit sorgfältig umzugehen. Initiativen, die deutlich mehr versprechen als sie halten können, können das Vertrauen in unser Staatswesen beschädigen.

PS Im erwähnten Bundesgerichtsverfahren war ich zum ersten Mal in meinem Leben Partei eines gerichtlichen Verfahrens.

 

David Jenny, Grossrat
Statthalter Amtsjahr 2020/21