«Wir wollen die Digitalisierung voranbringen»

Im Hinblick auf die kommenden Gesamterneuerungswahlen für den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt hat "Freisinn"-Redaktor Edwin Tschopp mit Regierungsrat Baschi Dürr, Vorsteher des Justiz- und Sicherheitsdepartementes Basel-Stadt (kurz JSD), ein Gespräch geführt.

Herr Regierungsrat Dürr, Sie wollen sich im kommenden Herbst als Kandidat der FDP.Die Liberalen Basel-Stadt für eine dritte Amtsperiode als Regierungsrat zur Wahl stellen. Was ist Ihre Motivation?

Mir gefällt die Aufgabe im Regierungsrat, gerade im Justiz- und Sicherheitsdepartement. Die Arbeit fordert täglich heraus. Es ist ein breit gefächertes Departement mit vielseitigen Aufgaben und motivierten Leuten. An 365 Tagen im Jahr leisten diese zugunsten der Bevölkerung rund um die Uhr eine Arbeit, die tatsächlich «einen Unterschied macht».

 

Was bedeutet es für Sie, Freisinniger zu sein?

Mein Kompass fürs Leben ist zutiefst liberal ausgerichtet. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Individuum, also jede und jeder Einzelne, zuallererst für sich selbst verantwortlich ist und nicht ohne Not der Staat.

 

Inwieweit können Sie freisinniges Gedankengut in die Regierungsarbeit einbringen?

Es gilt jeweils abzuwägen, wo es politische und betriebliche Handlungsspielräume für mehr Freiheit gibt. Der sorgfältige Umgang mit Steuergeldern ist mir wichtig. Und natürlich sollte sich auch der Staat den modernen Gegebenheiten anpassen. Ich denke dabei etwa an den Nutzen der Digitalisierung sowie an zeitgemässe Strukturen und Führung.

 

Werden Sie an Regierungsratssitzungen oft überstimmt?

Im Regierungsrat sind wir bestrebt, einvernehmliche Lösungen zu finden. Es wird mehr diskutiert als abgestimmt. Aber natürlich ist klar, dass die aktuellen Mehrheitsverhältnisse mit 4 zu 3 zugunsten von Links-Grün bei einigen Themen zum Ausdruck kommen. Hätten wir eine bürgerliche Mehrheit, würden gewisse Entscheide anders ausfallen.

 

Es fällt auf, dass neben dem abtretenden SP-Regierungsrat Wessels auch Sie oft Ziel sind von Polemik von politischen Gegnern und - sagen wir mal - unsanfter Behandlung durch einige Medien.

Ich stehe einem der grossen und komplexen Departemente vor. Dessen Aufgabenbereiche gehen von der Polizei, über Militär, Zivilschutz, Sanität, Feuerwehr, Gefängnis bis zum Handelsregister- und dem Zivilstandsamt: Wir verhaften und wir verheiraten! Das sind viele Bereiche, welche die Bevölkerung stark interessieren. Aufgrund dessen stehe ich als Vorsteher des JSD quasi von Amtes wegen mehr im Fokus der Bevölkerung und der Medien als andere.

 

Ihr Vorvorgänger Jörg Schild hat mir einmal gesagt, dass man als Vorsteher des JSD Teflonhosen anhaben müsse, damit alles gut abperlt, wenn man angepinkelt werde.

(Lacht) Damit hat er natürlich nicht unrecht. Es ist klar, dass mal Kritik von links und dann von rechts kommt, je nach Interessenlage und Ereignis. Das muss man als Politiker aushalten. Ich versuche, dabei möglichst unaufgeregt zu bleiben. Das gelingt mir - zumindest meistens...

 

Wenn Sie auf die letzten Jahre zurückblicken, was ist da an Wichtigem für Ihr JSD passiert? Welches sind Ihre Erfolge?

Wir haben erstens alle Volksabstimmungen, die das JSD betreffen, gewonnen, darunter das Übertretungsstrafgesetz oder das Taxigesetz. Auch im Grossen Rat haben wir sämtliche Anliegen durchgebracht, zuletzt den umstrittenen gepanzerter Polizei-Transporter – ein „schönes“ Beispiel für die oft etwas gar übertriebenen Diskussionen rund um die Blaulichtorganisationen! Im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung haben wir zweitens – auch dank der Schwerpunktbildung – sowohl die Gewaltdelikte als auch die Einbruchdiebstähle auf die tiefsten Pro-Kopf-Zahlen seit mindestens 10 Jahren gedrückt. Und obwohl es deutlich mehr Demonstrationen gegeben hat als auch schon, haben wir jüngst erreicht, dass es zu weniger Ausschreitungen kam. Wir haben drittens in einigen Bereichen neue Führungspersonen bestimmt und moderne Strukturen eingeführt. Auch bei der Unternehmenskultur haben wir spürbare Fortschritte erzielt.

 

2019 und jetzt wieder nach der Fasnacht gab es zahlreiche meist bewilligte Demonstrationen (Klima-und Schülerdemos, Anti-Syngenta, Kurdendemos, schwarzer Block). Viele sagen, dass es genug sei. Wie sehen Sie das mit der Bewilligungspraxis?

Es ist meine Aufgabe, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen und zum anderen die verfassungsmässige Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu garantieren. Das ist der tägliche Spagat jedes Polizeidirektors. Als politisch Verantwortlicher gebe ich die Leitlinie vor. Die konkrete Bewilligung von Ort und Zeit ist Aufgabe der Polizei. Die eigentliche Polizeiarbeit sollte nicht verpolitisiert werden, wie das leider regelmässig versucht wird.

 

Das Thema "Grün" ist nach wie vor bei vielen Leuten zuvorderst, wie die Resultate der jüngsten kantonalen Wahlen in den Kantonen St. Gallen und Uri zeigen.

Im JSD setzen wir verschiedene Akzente. So haben wir mit der erfolgreichen Einführung der elektrischen Tesla-Polizeifahrzeuge das national prominenteste E-Mobilitätsprojekt der öffentlichen Hand wortwörtlich auf die Strasse gebracht. Das hat für die Einsatzmöglichkeit neuartiger Technologien eine starke Symbolwirkung. Nunmehr sind wir an der Beschaffung von über 100 weiteren umweltfreundlichen Fahrzeugen. Weiter haben wir als erstes Departement veranlasst, in Zusammenarbeit mit dem Amt für Umwelt und Energie den ökologischen Fussabdruck unseres Departementes zu ermitteln.

 

Wo sehen Sie für die kommende Legislatur die Schwerpunkte, die Sie im Besonderen für Ihr Departement setzen wollen.

Wir möchten die Digitalisierung weiter voranbringen. So wollen wir erreichen, dass die administrative Zeit, die ein Polizist aufwenden muss, von einem Viertel seiner Arbeitszeit auf ein Achtel reduziert werden kann. Unter dem Strich entspricht dies rund 30 zusätzlichen Polizistinnen und Polizisten. Weiter stärken wir die regionale Zusammenarbeit, insbesondere mit dem Kanton Basel-Landschaft. Die Zusammenlegungen von Jagdverwaltung, Feuerwehrinspektorat oder Sanitätszentrale haben sich bewährt oder sind noch in Umsetzung. Im Bereich Kriminalitätsbekämpfung verfeinern wir die Schwerpunktbildung. Ein Thema sind dbaei die "potenzielle Gefährder", bei häuslicher Gewalt, Extremismus aller Art oder psychischer Erkrankungen. Aber auch hier muss die Balance zwischen Freiheit und Gesetz gehalten werden.

 

Kommen wir zur aktuellen Coronavirus-Krise. Wir führen dieses Gespräch Mitte März und wissen wie alle nicht, wie sich die Situation beim Erscheinen dieser Zeitung präsentiert. Stand heute: Wie bewältigen Sie diese aussergewöhnliche Situation?

Auch bei mir hat sich der Alltag rasch und radikal verändert. Der Kantonale Krisenstab in meinem Departement, den ich gegenüber dem Gesamtregierungsrat verantworte, arbeitet auf Hochtouren. Er unterstützt in erster Linie das Gesundheitswesen und in zweiter Linie die weiteren öffentlichen Dienste. Für die enormen Auswirkungen auf die Wirtschaft ist der Lead beim Wirtschafts- und beim Finanzdepartement. Es ist unser Ziel, im Interesse der Bevölkerung so viel Einschränkungen wie nötig und so viel Normalität wie noch möglich sicherzustellen. Auch dies ist ein Spagat zwischen Sicherheit und Freiheit! Als Regierungsrat ist es unser Ziel, so klar und so konsequent wie möglich zu entscheiden, zu kommunizieren – und zu machen.

 

Und privat?

Als Vater von drei Söhnen erlebe ich hautnah, wie das Familienleben letztlich aller nun kopfsteht. Die Tagesstrukturen müssen neu gefunden, beim Nachwuchs das Homeschooling sichergestellt und für die ganze Familie das intensivere Zusammenleben verdaut werden ... Nicht immer nur einfach!